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Mut zur Veränderung: Warum persönliche Entwicklung Resonanz und Konfrontation braucht

Sehnsucht nach Veränderung

Fühlst du dich manchmal, als würdest du auf der Stelle treten?
Vielleicht trägst du als Führungskraft viel Verantwortung und kämpfst mit schwierigen Teamdynamiken. Vielleicht stehst du als Privatperson an einem Wendepunkt in deinem Leben und spürst: So wie bisher geht es nicht weiter – aber wie dann?

In solchen Phasen kann ein persönlicher Entwicklungsprozess unglaublich wertvoll sein. In meiner Arbeit biete ich dir einen Raum, in dem du sortieren, nachspüren und neue Entscheidungen treffen kannst. Es geht nicht nur um Ziele und Strategien, sondern auch um Resonanz – darum, dass jemand an deiner Seite ist, der dich wirklich wahrnimmt und mit dir in Kontakt geht.

Ich stelle dir dafür einen geschützten Rahmen zur Verfügung: einen Ort, an dem du dich ernst genommen, gesehen und gehört fühlen kannst. Genau dort entsteht die Basis, um auch unbequeme Wahrheiten anzuschauen – und das ist oft der erste Schritt in Richtung echter, nachhaltiger Veränderung.

Meine Begleitung als gemeinsame Reise

In meiner Arbeit orientiere ich mich an den Leitprinzipien der co-kreativen Transaktionsanalyse nach Tudor und Summers. Co-kreativ bedeutet: Wir gestalten den Prozess gemeinsam. Du bringst deine Fragen, Erfahrungen und Ziele mit – ich bringe meine Fachkompetenz, Struktur und innere Haltung ein.

Ich verstehe unsere Zusammenarbeit als Beziehung auf Augenhöhe. Du bist Expert:in für dein Leben, deine Führungsrolle, deine Geschichte. Ich begleite dich dabei, Klarheit zu gewinnen, Muster zu erkennen und neue Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Wichtige Elemente meiner Arbeit sind:

  • Gemeinsame Verantwortung: Ich sage dir nicht, „wie du sein sollst“. Wir schauen zusammen hin, entwickeln Ideen und du entscheidest, was für dich stimmig ist.
  • Gegenseitige Anerkennung: Du darfst mit allem da sein, was dich ausmacht – mit deiner Stärke genauso wie mit deiner Unsicherheit. Gleichzeitig teile ich meine Wahrnehmungen offen mit dir.
  • Fokus auf das Hier und Jetzt: Wir achten auf das, was du im Moment fühlst, denkst und tust – und wie sich das in unserem Gespräch zeigt. Daraus entstehen oft unmittelbare, lebendige Entwicklungsschritte.

Diese Haltung prägt meine Begleitung bei Mediation im Norden: respektvoll, klar, zugewandt – und überzeugt davon, dass in dir mehr Möglichkeiten liegen, als du im Moment vielleicht sehen kannst.

Emotionale Resonanz als Stärke

Am Anfang steht für mich: zuhören. Ich möchte verstehen, wie deine Welt im Inneren aussieht – nicht nur die äußeren Fakten, sondern auch deine Gefühle, Zweifel und Hoffnungen.

Wenn du spürst, dass ich wirklich mit dir in Kontakt bin, entsteht Resonanz. Du musst nicht funktionieren, nichts „performen“. Du darfst einfach so da sein, wie du gerade bist. Für viele Führungskräfte und Privatpersonen ist das ungewohnt – und zugleich sehr entlastend.

In dieser Resonanz können Dinge auftauchen, die im Alltag keinen Platz finden: Erschöpfung hinter dem starken Auftreten, Unsicherheit hinter der souveränen Fassade, alte Verletzungen hinter dem Wunsch, alles im Griff zu haben.

Ich spiegele dir, was ich wahrnehme – behutsam und wertschätzend. Dadurch wird dein inneres Erleben klarer. Du erkennst Zusammenhänge, die dir vorher vielleicht gar nicht bewusst waren. Gleichzeitig würdige ich auch das, was schon gut funktioniert: deine Stärken, deine Kompetenzen, deine bisherigen Bewältigungsstrategien.

Diese Mischung aus Gesehenwerden und Ermutigung schafft Sicherheit. Auf dieser Grundlage kann später auch einmal Reibung entstehen – und genau diese Reibung kann Wachstum auslösen.

Mut zur Konfrontation – Wachstum durch Herausforderung

Zu meiner Arbeit gehört nicht nur empathische Begleitung, sondern auch klare, liebevolle Konfrontation. Konfrontation bedeutet für mich nicht Angriff, sondern: Ich spreche Widersprüche an, die ich zwischen deinen Worten und deinem Handeln oder zwischen deinem Selbstbild und dem Erleben anderer wahrnehme.

Die Transaktionsanalyse, wie z.B. die Ansätze der Schiffs und der Gouldings, betont, wie wichtig es ist, eingefahrene Muster und alte innere Entscheidungen bewusst zu machen. Oft wirken tief verankerte Glaubenssätze in dir, zum Beispiel:

  • „Ich darf keine Schwäche zeigen.“
  • „Ich muss es allen recht machen.“
  • „Wenn ich Nein sage, verliere ich Beziehungen.“

Wenn ich merke, dass solche Sätze dein Leben und deine Führung stark bestimmen, werde ich dich darauf aufmerksam machen – klar und zugleich respektvoll. Manchmal fühlt sich das im ersten Moment unbequem an. Vielleicht spürst du Widerstand, Ärger oder Scham.

Genau hier beginnt Entwicklung: Wenn wir diesen Gefühlen gemeinsam Raum geben, kannst du Schritt für Schritt prüfen, ob diese alten Entscheidungen wirklich noch zu dir passen. Du bekommst die Möglichkeit, neu zu entscheiden – innerlich und ganz bewusst.

Konfrontation in meiner Arbeit dient immer deinem Wachstum. Sie ist eingebettet in eine tragfähige Beziehung, in der du weißt: Ich bleibe an deiner Seite, auch wenn es kurz „eng“ wird. So kann aus Reibung Klarheit entstehen – und aus Klarheit neue Freiheit.

Ein Beispiel aus meiner Praxis: Führungskraft im Wandel

Nehmen wir Claudia, Bereichsleiterin in einem mittelständischen Unternehmen (Name geändert).
Als sie zu mir kam, wirkte sie auf den ersten Blick stark, strukturiert und verantwortungsbewusst. Im Gespräch zeigte sich jedoch schnell: Sie war müde. Sehr müde.

Claudia erzählte, dass sie Konflikte hasst. Sie versucht, es allen recht zu machen, Entscheidungen möglichst „harmonisch“ zu treffen und Spannungen zu vermeiden. Nach außen will sie als souveräne Führungskraft erscheinen – innerlich fühlt sie sich oft zerrissen.

Zuerst ging es darum, dass sie all das einmal wirklich aussprechen durfte. Ich habe ihr zugehört, nachgefragt, gespiegelt:
„Ich höre, wie sehr du dich bemühst, alles zusammenzuhalten – und wie wenig Raum du dir selbst dabei lässt. Das klingt unglaublich anstrengend.“

Claudia konnte sich mit dieser Wahrnehmung verbinden. Sie spürte, dass da jemand aufrichtig versucht, ihre innere Not zu verstehen.

Nach einiger Zeit habe ich eine Beobachtung mit ihr geteilt:
„Du legst großen Wert auf ein harmonisches Miteinander. Gleichzeitig erlebst du, dass in deinem Team Unzufriedenheit wächst und ehrliches Feedback selten ist. Wie fühlt es sich an, wenn wir darauf gemeinsam schauen?“

Das war ein Moment der Konfrontation. Claudia war zunächst irritiert – ein Teil von ihr wollte sofort erklären und relativieren. Doch wir sind gemeinsam bei diesem Punkt geblieben.

Im weiteren Prozess tauchte ein alter Glaubenssatz auf:
„Ich darf nicht anstrengend sein. Wenn ich zu klar bin, verliere ich die Nähe zu anderen.“

Wir haben diesen Satz behutsam überprüft, seine Geschichte erkundet und in kleinen Schritten eine neue innere Erlaubnis entwickelt:
„Ich darf klar und ehrlich sein – und gleichzeitig in Beziehung bleiben.“

Mit dieser neuen inneren Haltung begann Claudia, in ihrem Team anders aufzutreten: klarer, direkter, und dennoch zugewandt. Sie sprach Spannungen offen an, setzte Grenzen, ohne verletzend zu werden, und erlaubte sich, nicht immer allen gefallen zu müssen.

Nach einigen Wochen berichtete sie, dass die Gespräche im Team „ehrlicher“ wurden. Es gab zwar mehr Reibung, aber auch mehr Vertrauen. Claudia wirkte ruhiger, geerdeter – mehr bei sich.

Fazit: Deine persönliche Entdeckungsreise

Coaching – so wie ich es verstehe und lebe – ist eine Entdeckungsreise zu dir selbst.

Für dich als Führungskraft kann diese Reise bedeuten, deinen Führungsstil zu reflektieren, alte Muster loszulassen und mit mehr Klarheit und Authentizität präsent zu sein. Für dich als Privatperson kann sie dir helfen, innere Konflikte zu klären, wichtige Entscheidungen zu treffen und dein Leben stimmiger auszurichten.

In unserer Zusammenarbeit stehst du im Mittelpunkt – mit deiner Geschichte, deinen Stärken, deinen Ängsten und deinem Potenzial. Ich biete dir einen Rahmen, in dem du sowohl Zuwendung als auch Herausforderung bekommst: Resonanz, damit du dich nicht allein fühlst, und Konfrontation, damit du dich über alte Begrenzungen hinausentwickeln kannst.

Wenn du beim Lesen merkst, dass dich etwas berührt oder du dich in manchen Zeilen wiedererkennst, könnte das ein Hinweis sein, dass ein nächster Schritt ansteht.

Wenn du möchtest, begleite ich dich ein Stück auf deinem Weg – klar, zugewandt und co-kreativ.
So kann aus deinem Wunsch nach Veränderung eine ganz konkrete, lebendige Bewegung werden: hin zu mehr innerer Freiheit, Klarheit und Verbundenheit mit dir selbst.

Herzliche Grüße

Thomas

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Digital Detox für die Seele – warum weniger Denken manchmal klüger ist

Kennst du das: Du drehst gedanklich noch eine Extra-Runde, obwohl längst alles gesagt ist – und wirst dabei weder klarer noch ruhiger? Weniger denken, besser fühlen, klüger handeln. Das ist nicht anti-intellektuell, sondern nervensystemfreundlich und beziehungsorientiert.

Wann Denken kippt – und was dann hilft

Denken ist großartig. Es entwirft Lösungen, sortiert Erfahrungen, schützt vor Kurzschlüssen. Und ab einem Punkt kippt es in Grübeln: wiederkehrende Gedankenschleifen, die Energie fressen, Stimmung drücken und echten Kontakt verhindern. In Mediationen erlebe ich oft, wie Teams mit hochdrehenden Köpfen immer schneller reden – und immer weniger verstehen. Der Ausweg ist nicht „gar nicht denken“, sondern dosiert denken: Rhythmus statt Dauerfeuer.

Transaktionsanalytisch heißt das: mein Erwachsenen-Ich aktivieren. Innehalten, beobachten, benennen, entscheiden – ohne Drama. Du erlaubst deinem System Mikropausen (Reset), bevor du wieder fokussiert einsteigst. So entsteht Handlungsfähigkeit statt Kopfkino. Das ko-kreative Setting hilft zusätzlich: Verantwortung teilen, Gegenwart betonen, Beziehung als Ressource nutzen. Kurz: weniger Lärm im Kopf, mehr Kontakt im Raum.

Ein persönliches Beispiel

Vor ein paar Wochen stand ich nach zwei intensiven Konfliktgesprächen im Wald in Volksdorf. Mein Kopf wollte die dritte Variante eines ohnehin fertigen Textes formulieren. Ich habe angehalten, 20 Atemzüge gezählt, dem Rascheln zugehört – mehr nicht. Auf dem Rückweg kam kein „genialer Gedanke“, sondern nur ein klarer Satz: „Thomas, schick die Version, die gut genug ist.“
Ich tat es. Die Rückmeldung der Kundin war ein schlichtes „Danke, passt“. Diese Mini-Unterbrechung hat mir eine Stunde Feinschliff, drei E-Mails und ordentlich Cortisol erspart. Weniger Denken – mehr Wirksamkeit. Seitdem gönne ich mir bewusst Stille-Mikrodosen vor heiklen Mails, Vertragsentwürfen oder Familiengesprächen. Ergebnis: bessere Entscheidungen, entspannterer Ton, kürzere Schleifen.

Drei Missverständnisse über Digital Detox

  1. „Ich darf nie mehr online sein.“ Quatsch. Es geht um bewusste Dosierung: klare Start-/Stopp-Punkte, stille Zonen, fokussierte Sprints.
  2. „Ohne Input werde ich dümmer.“ Eher im Gegenteil. Pausen aktivieren die Konsolidierung – das Gehirn räumt auf, damit Neues haften bleibt.
  3. „Weniger denken macht unkritisch.“ Nein. Es macht dich präziser: Du unterscheidest zwischen wesentlichem Problem und Lärm.

Kopf, Körper, Kontakt – ein kleines Navigationssystem

  • Kopf (Klarheit): Kurz prüfen: „Welche Frage beantworte ich gerade?“ Wenn du das nicht sagen kannst, bist du wahrscheinlich in der Schleife.
  • Körper (Regulation): Schultern lösen, Kiefer entspannen, ausatmen. Körperarbeit ist kein „Nice-to-have“, sondern die Bremse für kognitive Überdrehzahl.
  • Kontakt (Beziehung): Nicht jeder Gedanke muss sofort ausgesprochen werden. Stille aushalten, nachfragen, paraphrasieren. Die Beziehung klärt, was der Kopf nicht schafft.

TA-Kompass: Von der Idee in die Praxis

  • Erwachsenen-Ich aktivieren: Innehalten und Beobachtung vor Bewertung („Ich bemerke, dass…“).
  • OK–OK-Haltung kultivieren: Ich bin ok. Du bist ok. (Auch wenn wir’s unterschiedlich sehen.)
  • Skript-Update wagen: „Ich muss immer alles durchdenken“ wird zu „Ich darf dosieren und entscheiden“.
  • Ko-kreativ statt solo: Halte kurze Denkräume im Team – fünf Minuten Stille vor der Entscheidung sparen oft eine Stunde Diskussion.

Sieben Mikro-Tools für Kopfklarheit

  • 2-Minuten-Stille: Timer stellen, nichts „optimieren“. Nur atmen, Körper spüren, beobachten.
  • Frage statt Schleife: „Was ist der nächste kleine Schritt?“ (nicht: „Warum ist alles so kompliziert?“)
  • Notiz statt Kopfkino: Ein Satz auf Papier parkt den Gedanken – dein System darf weiter.
  • Monotask-Sprint (25/5): 25 Minuten eine Sache, 5 Minuten aus dem Fenster schauen.
  • Input-Fenster: Nachrichten, Social, Mails in 2–3 gebündelten Slots – nicht dazwischen.
  • Body-Check: Drei tiefe Ausatemzüge; Schultern hoch – halten – fallen lassen. Der Körper nimmt dem Kopf das Tempo.
  • „Gut-genug“-Kriterium: Vorab definieren, wann etwas fertig ist – Perfektion höflich verabschieden.

Für Führung, Beratung & Familie

Weniger Denken ist kein Rückzug, sondern Beziehungsarbeit.
In Teams schafft es Präsenz: Du hörst wirklich zu, statt nur auf eine Sprechpause zu warten. Meetings gewinnen an Rhythmus: kurze Stillen, klare Beiträge, sichtbare Entscheidungen. In Beratung und Pädagogik entsteht Raum, in dem Menschen sich selbst hören – Interventionen werden einfacher, weil sie passender werden. In Familien senkt es den Tonfall: Worte dürfen nachklingen, bevor die nächsten kommen. Und persönlich gewinnst du Souveränität: Du reagierst nicht reflexhaft, sondern antwortest.

Ein Beispiel aus einer Mediation: Ein Leitungsteam kam mit dem Auftrag „Wir entscheiden heute alles“. Nach 40 Minuten merkte ich das bekannte Dauerfeuer. Wir stoppten, nahmen drei Minuten Stille und sortierten dann in drei Spalten: jetzt entscheiden, mehr Info nötig, reifen lassen. Das Team verließ den Raum mit zwei tragfähigen Zusagen und einem klaren Review-Termin – statt mit sechs halbgaren Beschlüssen. Weniger Denken zur richtigen Zeit, besseres Denken zur passenden Zeit.

Dein Experiment für heute

Wähle eine Situation, die sonst Grübel-Magnet ist (Mail an heiklen Verteiler, Gespräch mit Kunde xy, Budgetentscheidung). Setz dir zwei Stopps: einen vor dem Start (2-Minuten-Stille) und einen nach dem ersten Entwurf (kurz aufstehen, atmen). Dann entscheide. Halte inne und beobachte: Was wird leichter? Was wird klarer? Wo brauchst du weniger Worte? Bonus: Bitte eine vertraute Person um eine Rückmeldung nur zur Wirkung („Wie kam ich rüber?“) – nicht zum Inhalt. Das schärft deinen Blick für Kontaktqualität.

Digitalhygiene statt Digitalaskese

Wer weniger denkt, hat oft bessere Ideen – weil das System nicht im Dauer-Input hängt. Darum lohnt sich eine einfache Digitalhygiene:

  • Grenzen: Push-Mitteilungen minimieren, Geräusch aus, Do-Not-Disturb als Standard.
  • Rituale: Beginn und Ende des Arbeitstags mit 60 Sekunden Stille markieren.
  • Räume: Handyfreie Zonen (Esstisch, Schlafzimmer, Besprechungsanfang).
  • Gemeinsame Regeln: Im Team verabreden, wann asynchron reicht – und wann Live-Kontakt Sinn macht.

Das Ziel ist kein romantischer Digitalverzicht, sondern professionelle Präsenz. Du bleibst erreichbar – aber aufmerksam, reguliert, entscheidungsfähig.


Mehr dazu – inklusive konkreter Übungen und Aha-Momente aus unserer Praxis – hörst du in unserer aktuellen Podcast-Episode „Digital Detox für die Seele – Warum weniger Denken manchmal das Klügere ist“. Hier anhören: https://open.spotify.com/episode/5FaUsy487NkWWSKtOw9eXD.

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„Das gab’s bei uns früher nicht!?“ – Warum Generationen heute aneinander vorbeireden (und wie wir wieder zueinander finden)

„Das gab’s bei uns früher nicht.“ – diesen Satz hörst du vielleicht von Eltern, Großeltern oder Kolleg*innen, wenn es um psychische Gesundheit, queere Identitäten oder den offenen Umgang mit Gefühlen geht. Die Wahrheit ist: Vieles gab es schon – nur war es unsichtbar, tabuisiert oder hatte keinen Namen. Heute sprechen wir offener darüber, und genau das erzeugt Reibung zwischen den Generationen.

Was hier wirklich aufeinanderprallt

Aus transaktionsanalytischer Sicht (TA) begegnen sich im Familien- oder Teamgespräch oft im kritischen Eltern-Ich und im rebellischen Kind-Ich: Der eine mahnt („Reiß dich zusammen!“), der andere rebelliert oder zieht sich zurück. Verständigung entsteht erst, wenn beide ins Erwachsenen-Ich wechseln – wertschätzend, neugierig, im Hier-und-Jetzt. Auch hilfreich: die OK–OK-Haltung („Ich bin ok, Du bist ok“) und der Blick auf unsere Lebensskripte, die wir heute bewusst weiter- oder umschreiben können (Script-Helix).

Ein persönliches Beispiel

Vor einigen Monaten saß ich mit einem Vater (Ende 40) und seiner erwachsenen Tochter (19) in einer Konfliktmoderation. Er: „Diese ganzen Diagnosen – das macht man sich doch nur leicht.“ Sie: „Papa, ich habe Panikattacken. Ich will nicht schwach sein, ich brauche Verständnis.“
Wir hielten inne und ich lud beide ein, einen Satz im Erwachsenen-Ich zu formulieren. Der Vater sagte nach kurzer Stille: „Ich merke, dass mich das verunsichert, weil es das in meiner Jugend so nicht gab. Ich möchte verstehen, wie das für dich ist.“ Die Tochter antwortete: „Ich weiß, dass dich das stresst. Mir hilft es, wenn du fragst, statt es kleinzureden.“
In diesem Moment wechselte die Atmosphäre: weniger Abwehr, mehr Neugier. Später lachten beide sogar darüber, wie unterschiedlich ihre Informationswelten sind – Tageszeitung vs. TikTok. Genau dort beginnt Verständigung: nicht im Wettstreit der Wahrheiten, sondern im gemeinsamen Übersetzen.

Warum das Thema größer ist als „richtig“ oder „falsch“

Historisch hat sich viel verändert: Psychische Gesundheit ist entstigmatisiert, queere Lebensentwürfe sind sichtbarer, Gefühle haben Raum bekommen. Für Ältere, die auf „Durchhalten“ sozialisiert wurden, wirkt das manchmal wie Verweichlichung; für Jüngere, die mit Sprache für Vielfalt aufwachsen, ist es schlicht Normalität. Beide Perspektiven sind plausibel – nur eben anders geprägt. Genau deshalb lohnt es sich, statt zu urteilen die Prägungen zu verstehen.

Fünf Brücken, die du sofort bauen kannst

  1. Vom Bewerten zum Befragen: „Wie erlebst du das?“ statt „So ist das!“
  2. Begriffe übersetzen: Erkläre Self-Care oder nichtbinär mit Bildern, die für dein Gegenüber Sinn ergeben – ohne Dozentenmodus.
  3. Gefühle validieren: Erst verstanden fühlen, dann Lösungen suchen.
  4. Gemeinsame Werte sichtbar machen: Sicherheit und Selbstbestimmung sind legitim – die Gewichtung variiert.
  5. Neues Familienskript schreiben: Haltet fest, wie ihr künftig sprechen wollt (z.B. „Wir fragen nach, bevor wir urteilen“).

Ein Mini-Leitfaden für dein nächstes Gespräch

  • Check-In: „Worüber willst du heute reden?“
  • Rollenwechsel: Ertappt ihr euch im Eltern-/Kind-Ping-Pong – kurzer Stopp, beide formulieren einen Satz aus dem Erwachsenen-Ich.
  • OK–OK-Reminder: Leise für dich: „Ich bin ok. Du bist ok“ – „Ich bin wertvoll, begabt und geliebt! – Du bist wertvoll, begabt und geliebt!“
  • Next Step: „Was probieren wir bis nächste Woche aus?“ (z.B. wöchentlicher 20-Minuten-Talk ohne Ratschläge)

Warum sich der Aufwand lohnt

Wenn wir Generationen-Gespräche deeskalieren, gewinnen alle: Ältere fühlen sich mit ihrer Lebensleistung gesehen, Jüngere mit ihren Gegenwartsfragen ernst genommen. Und ganz pragmatisch: Familien entscheiden gelassener, Teams arbeiten produktiver, Beziehungen werden tragfähiger. Genau dafür steht die TA – co-kreativ Beziehungen gestalten, damit Unterschied nicht trennt, sondern ergänzt.


Wenn dich das Thema anspricht und du tiefer eintauchen möchtest: In unserer aktuellen Podcast-Episode „Das gab’s bei uns früher nicht!? – Generationen, Psyche & Queerness“ spreche ich mit Thomas Wehrs über Reibung, Respekt und handfeste Tools für deinen Alltag. Hier anhören: https://open.spotify.com/episode/0zc0tByCaFNiCuN3RzXN5s

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Digital effizient – emotional dysfunktional?

Warum du KI feiern kannst, aber Beziehung dich rettet

Prompst du schon oder denkst du noch?“ – mit dieser Frage treffen wir in der aktuellen Podcast-Folge mitten ins Herz der Debatte zwischen künstlicher Intelligenz und echter Menschlichkeit. Wenn du schon einmal staunend vor einer perfekt geglätteten KI-Mail gesessen hast, kennst du das Gefühl: Alles läuft schneller, doch Nähe entsteht nicht automatisch.

Effizienzrausch trifft Informationskater

Die nackten Zahlen wirken berauschend – und ein wenig unheimlich. Laut Microsofts Work Trend Index 2025 wirst du während eines Acht-Stunden-Tages durchschnittlich alle zwei Minuten unterbrochen; hochgerechnet sind das 275 Pings pro Tag, oft schon vor sechs Uhr morgens. Was dein Belohnungssystem kitzelt, setzt zugleich dein Nervensystem unter Dauerstrom. Die WHO verknüpft in ihrem Digital-Well-Being-Report 2024 steigende Bildschirmzeit direkt mit sinkendem psychischem Wohlbefinden. Für dich heißt das: Produktivität gibt’s häufig zum Preis eines unterschwelligen Daueralarms.

Technik trifft Psyche

In unserer Podcast-Episode beschreiben wir, wie ein „künstlich erzeugtes Idealbild von Effizienz“ längst deine Selbstwahrnehmung prägt. Wer den eigenen Wert an Ampel-Scores oder Smartwatch-Prozentsätzen abliest, lagert Gefühle an Zahlen aus – ein perfekter Nährboden für die alten inneren Antreiber „Streng dich an“ und „Sei perfekt“. KI verstärkt also, was schon da ist: die Versuchung, Beziehung durch Reporting zu ersetzen.

Ein Blick ins echte Leben

Vor Kurzem habe ich eine Bereichsleiterin begleitet, deren neues Performance-Tool jede Kaffeepause mitstoppte. Zu Beginn fühlte sie sich mächtig – endlich „harte und messbare Daten“. Nach drei Wochen schlich sie um die Teamküche, weil ihr Blick nicht mehr vom Dashboard loskam. Erst als sie sich täglich fünf „analoge“ Minuten verordnete – Rundgang ohne Tablet, ein offenes „Wie geht es dir wirklich?“ – veränderte sich die Stimmung: Vertrauen rauf, Fehlzeiten runter. Keine Software hätte diese Resonanz gemessen. Nimm dir das als Einladung, eigene Mini-Auszeiten zu schaffen.

Was Forschung dazu sagt – in drei Bildern

Erstens: Arbeit neu designen. Der MIT-Sloan-Artikel „Want AI-Driven Productivity? Redesign Work“ (Mai 2025) empfiehlt, Jobs erst zu dekonstruieren und dann bewusst neu zu gestalten. KI bringt nur dort Tempo, wo Prozesse, Rollen und Verantwortung wirklich angepasst werden.

Zweitens: Sprache wird glatt – Beziehung wird matt. Das Stanford Social Media Lab weist nach, dass AI-vermittelte Kommunikation Formulierungen höflicher, aber auch emotional flacher macht; subtile Beziehungssignale verdampfen unterwegs.

Drittens: Digitalhygiene schützt Gesundheit. Die WHO warnt: Dauer-Screen-Zeit erhöht Angst- und Depressionsraten. Digitalhygiene ist also nicht nur etwas für Teenager, sondern auch für Top-Manager – und für dich.

Gemeinsam zeichnen diese Studien dasselbe Bild: Effizienzgewinne gedeihen nur, wenn du gleichzeitig Raum für Dialog, Gefühl und Erholung schaffst.

Mikro-Auswege aus dem Alarm-Modus

  • 90-Sekunden-Körperscan vor jedem Prompt: erst spüren, dann tippen.
  • Offene Fragerunde im Meeting, bevor das KI-Stimmungsdiagramm erscheint: „Wie fühlt sich das für euch an?“
  • Fokus-Block im Kalender: Slack empfiehlt teamsynchron Focus Fridays, an denen Chat-Benachrichtigungen pausieren. Vielleicht passt dir ein Focus Dienstag besser – entscheidend ist das bewusste Abschalten.
  • Info-Fasten: Harvard-Untersuchungen zeigen, dass es bis zu 23 Minuten dauert, nach einer E-Mail-Unterbrechung wieder in den Flow zu kommen. Plane feste Nachrichten-Fenster ein, statt ständig im Alarm-Bereitschaftsmodus zu bleiben.

Zwischen Skepsis & Zynismus

Im Podcast unterscheiden wir klar: Skepsis hinterfragt, Zynismus zieht sich resigniert zurück. Deine Aufgabe lautet, ein kritisch-neugieriges Erwachsenen-Ich zu pflegen, das Tools einsetzt, ohne sich von ihnen ersetzen zu lassen.

Persönliche Herz-Notiz

Neulich stand ich kurz vor einer Online-Mediation unter zeitlichem Druck – und ließ mir von ChatGPT in Sekunden ein souveränes Eröffnungsstatement schreiben. Perfekt formuliert, logisch aufgebaut, keine Umwege. Als ich es probeweise laut vorlas, hörte ich allerdings meinen eigenen Klang nicht mehr heraus. Also schloss ich den Laptop, nahm mir eine Minute und schrieb drei Sätze handschriftlich: „Mir ist wichtig, dass jede Perspektive hier Gehör findet; ich begleite Sie achtsam durch diesen Prozess, damit Sie gemeinsam tragfähige Schritte entwickeln können.“

Im Termin merkte ich: Genau diese handgeschriebenen Worte öffneten den Raum – nicht die elegante KI-Rhetorik. Die Parteien wirkten überrascht, dass jemand ihre Lage fühlt, statt nur managt. Da wurde mir wieder klar: KI kann Inhalte liefern, aber Menschlichkeit entfacht Resonanz.

Fazit – KI lieben, Menschlichkeit führen

Digitale Helfer sind keine Feinde. Doch wenn du Selbstwert, Intuition und Verantwortung outsourct, wirst du emotional dysfunktional. Die Zukunftskompetenz heißt: Technologie plus Menschlichkeit gestalten. Wer Arbeit umdesignt, Informationsflut zügelt und echte Dialogräume schützt, gewinnt doppelt – Produktivität und Beziehung.

Bist du neugierig geworden? Dann hör direkt in unsere aktuelle Podcast-Episode „Digital effizient – emotional dysfunktional“ hinein:
https://open.spotify.com/episode/2I86l1m4YbMGa6RoiZDpXx

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Denken ohne feste Geländer? Warum Zweifel kein Zeichen von Schwäche ist

Bild von 🌼Christel🌼 auf Pixabay

In einer Welt, die uns täglich zur Eindeutigkeit drängt – „bist du dafür oder dagegen?“ – wirkt das Zweifeln fast schon wie ein Anachronismus. Dabei ist genau das die eigentliche Denkleistung: innehalten, hinterfragen, Positionen nicht vorschnell einnehmen. Hannah Arendt, eine der bedeutendsten politischen Denkerinnen des 20. Jahrhunderts, sagte dazu einmal:
„Commitment kann dich leicht an einen Punkt bringen, an dem du nicht mehr denkst.“

Dieser Satz hat mich getroffen. Denn er widerspricht dem gängigen Bild, wonach Menschen mit klarer Haltung automatisch auch reflektiert seien. Arendt drehte es um: Zu frühe Klarheit kann Denken verhindern.

Warum wir Positionen so lieben

Unser Gehirn liebt Muster, Klarheit und Energieeffizienz. Wer sich einmal eine Meinung gebildet hat, möchte ungern zurück auf Los. Neurowissenschaftler sprechen von kognitiver Dissonanz – einem unangenehmen Zustand, wenn neue Informationen nicht zur bestehenden Überzeugung passen. Was dann folgt, ist, dass wir diesen Zustand umgehen, indem wir widersprüchliche Impulse einfach ausblenden. So entstehen innere Filterblasen – nicht nur in sozialen Medien, sondern auch im Kopf.

Was das mit mir zu tun hat

Ich erinnere mich an eine Situation während der Corona-Pandemie. In den ersten Monaten war ich überzeugt: Online-Seminare sind ein Notnagel – aber niemals eine gleichwertige Alternative zum Präsenzraum. Als Coach und TA-Trainer lebe ich von Beziehung, von nonverbalen Signalen, von physischer Präsenz.

Dann kam ein Moment, der meine Überzeugung ins Wanken brachte: Ein Teilnehmender eines Online-Workshops sagte in der Abschlussrunde, er habe sich selten so offen zeigen können wie in diesem digitalen Setting – „weil ich zu Hause war und mich sicher gefühlt habe“. Ich war irritiert – und dann neugierig. Vielleicht war mein festes Bild vom „echten Kontakt“ in Präsenz selbst nur ein Stück Bezugsrahmen. Ich habe begonnen, differenzierter hinzuschauen – nicht sofort meine Meinung über Bord geworfen, aber auch nicht länger daran festgehalten, als wäre sie ein Glaubenssatz.

Zweifel ist kein Rückzug. Zweifel ist Bewegung.

Zwischen Schwarz und Weiß: der Bezugsrahmen

In der Transaktionsanalyse sprechen wir vom Bezugsrahmen – dem inneren Denk- und Deutungsfeld, durch das wir die Welt wahrnehmen. Er entsteht durch Erfahrungen, Vorbilder, Kultur und Biografie. Der Bezugsrahmen hilft uns, nicht bei jedem Impuls neu nachdenken zu müssen. Aber er wird dann zum Problem, wenn er zu eng, zu rigide wird. Wenn wir ihn nicht mehr hinterfragen.

Zweifel ist in diesem Sinne wie ein Fenster, das man einen Spalt weit öffnet. Es lässt frische Luft rein – vielleicht irritierend, aber klärend.

Warum das in Change-Prozessen so entscheidend ist

In Veränderungsprozessen – ob in Organisationen oder im persönlichen Leben – wird oft zu schnell nach dem Neuen gerufen: „Wofür stehst du jetzt?“ Doch Veränderung braucht erst einmal ein kurzes Nichtwissen. Der Raum dazwischen – zwischen dem Alten, das nicht mehr trägt, und dem Neuen, das noch nicht klar ist – ist unbequem. Und zugleich fruchtbar.

Hannah Arendt nannte das „Denken ohne Geländer“ – ein Denken, das sich nicht an fertige Kategorien klammert, sondern sich selbst ernst nimmt: in der Unsicherheit, im tastenden Urteilen, im wiederholten Infragestellen.

Und wie geht das im Alltag?

Zweifel bedeutet nicht, ewig zu zögern. Es geht darum, den Moment zwischen Reiz und Reaktion zu verlängern. Einen Widerspruch nicht sofort aufzulösen. Sich nicht sofort zur einen Seite zu bekennen, wenn die Wirklichkeit vielleicht zwei Seiten und eine Tiefe hat.

Vielleicht hilft eine kleine Übung: Nimm dir eine Meinung, die du für selbstverständlich hältst – zum Beispiel zu Mobilität, Ernährung, Bildung, Klima. Und dann frage dich: Was würde eine Person sagen, die genau das Gegenteil denkt – und was daran könnte berechtigt sein?

Du wirst überrascht sein, wie schnell dein Denken weiter wird – ohne dass du deine Werte verlierst.

🎧 Wenn dich das Thema interessiert, dann hör gern in unsere aktuelle Podcast-Episode rein:
„Denken ohne Geländer – Warum Zweifel dein bestes Change-Tool ist“
Jetzt auf Spotify:
👉 Hier geht’s zur Folge

Fazit:
Zweifeln ist keine Schwäche. Es ist ein Zeichen von Reife. Wer keine festen Geländer braucht, bleibt beweglich – und ist damit besser gerüstet für eine Welt im Wandel.

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Sofortismus – Wenn „gleich – sofort“ zum Lebensmotto wird

Scrollen, tippen, antworten – bevor das Handy vibrierend zur Ruhe kommt, springt schon die nächste Benachrichtigung auf. Willkommen im Zeitalter des Sofortismus: dem gesellschaftlichen Reflex, jede Frage, jede Sehnsucht, jedes noch so kleine Bedürfnis unverzüglich zu bedienen. Was nach Komfort klingt, hat eine überraschend scharfe Kehrseite.

Ein kurzer Blick zurück – Geduld als „Old School“-Tugend

Von Aristoteles bis Bonhoeffer galt Geduld als Charakterstärke. Hegel warnte sogar: Wer das Ziel ohne den Weg wolle, verlange das Unmögliche. Heute scheint genau das Normalität zu sein: Same-Day-Delivery statt Vorfreude, Streaming-Binge statt wöchentlicher Folgenabend, Chat-Antwort in Minuten statt in Tagen. Die Botschaft lautet: Wartezeit ist schlechte Zeit.

Was der Sofortismus anrichtet

  1. Stress & Fehlerkultur
    Studien zeigen, dass alle paar Minuten eintreffende Mails oder Nachrichten die Konzentration ruinieren. Schnelligkeit gewinnt, Tiefgang verliert – in Büros wächst der Stapel kleiner Fehler, weil niemand mehr „nur eine Sache“ tut.
  2. Flüchtiger Dialog
    Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen spricht vom „kommentierenden Sofortismus“: Wir reagieren, noch bevor wir überlegen. Ergebnis sind hitzige Threads, in denen jede Seite sofortige Empörung liefert, aber selten Verständnis.
  3. Verlernte Frustrationstoleranz
    Kinder, die beim kleinsten Gähnen das Tablet in die Hand bekommen, lernen kaum noch Langeweile auszuhalten – dabei ist ebendiese Leere laut Hirnforscher Gerald Hüther der Nährboden für Kreativität und Selbststeuerung.

Ein persönlicher Aha-Moment

Neulich saß ich im Café und wartete auf eine Freundin. Zehn Minuten Verspätung – früher hätte ich den Blick schweifen lassen, vielleicht ein paar Gedanken sortiert. Stattdessen griff ich reflexhaft zum Smartphone, tippte drei Mails, beantwortete zwei Messenger-Fragen und googelte, warum Flat Whites eigentlich so heißen. Als meine Freundin kam, war mein Kopf bereits voller „To-dos“. Das Treffen fühlte sich nicht gemütlich, sondern gehetzt an – und das lag nicht an ihr, sondern an meinem inneren „Sofort-Muss“. Erst da merkte ich: Ich hatte die zehn freien Minuten gar nicht als Geschenk, sondern als Lücke empfunden, die sofort zu füllen war.

Warum wir trotzdem nicht zum Steinzeit-Tagebuch zurückmüssen

Sofortismus hat auch eine helle Seite. Spendenaktionen, Nachbarschaftshilfe, spontane Proteste – all das gelingt, weil Menschen sich binnen Minuten vernetzen. Die Frage ist also nicht „Digital oder analog?“, sondern: Wie viel Echtzeit tut mir gut – und wann schalte ich bewusst in Zeitlupe?

Drei Mikro-Strategien für den Alltag

  1. Der Zweitgedanke
    Vor dem Absenden einer Nachricht: zweimal tief einatmen. Was klingt wie ein Yoga-Mantra, schenkt dem Gehirn exakt die Millisekunden, in denen es zwischen Impuls und Reaktion wählen kann.
  2. Offline-Fenster fest einplanen
    Eine Stunde am Morgen oder Abend ohne Handy schafft messbar mehr Ruhe. Wer es ausprobiert, staunt, wie laut Vögel plötzlich zwitschern können.
  3. Bewusste Beziehungspflege
    Ein echtes Gespräch pro Tag – ohne Blick aufs Display. So erfährt das innere Kind, das laut Transaktionsanalyse um sofortige Bestätigung buhlt, dass es auch ohne Dauer-Feedback gesehen wird.

Fazit – Gut Ding will wieder Weile haben

Sofortismus ist kein Schicksal, sondern ein Trend, den wir gestalten können. Er verlangt nach digitalen Umgangsformen, die Schnelligkeit dort nutzen, wo sie hilft, und Pausen dort einbauen, wo sie nötig sind. Wer wieder lernt zu warten – auf eine Nachricht, auf eine Idee, auf sich selbst – gewinnt nicht nur Gelassenheit, sondern oft auch Qualität: in Entscheidungen, Beziehungen und im eigenen Kopf.

Neugierig geworden? In unserer aktuellen Podcast-Folge Permanent Change sprechen wir ausführlich – und durchaus kontrovers – über Ursachen, Nebenwirkungen und Auswege aus dem Sofortismus. Jetzt reinhören unter: https://open.spotify.com/episode/2YbN5SoTLRnIFmj02GUWrS.

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Beziehungskonflikte in Zeiten multipler Krisen?

Die Welt um uns herum fühlt sich oft unsicher an. Kriege, wirtschaftliche Unsicherheiten, Klimawandel, gesellschaftliche Spannungen – es gibt keine einzelne Krise, die unser Leben prägt, sondern eine Vielzahl von Unsicherheiten, die sich überlagern. Die Auswirkungen spüren wir alle. Ich auch.

Neulich hatte ich ein Gespräch mit einem guten Freund. Er erzählte mir von der wachsenden Anspannung in seiner Beziehung. „Ich habe das Gefühl, wir stehen beide unter Dauerstrom. Als wären wir in so einer Art „mental overload“ oder „always on alert-Zustand“. Sie zieht sich immer mehr zurück, ich werde immer lauter – es ist ein einziger Kreislauf“, sagte er. Ich konnte ihn gut verstehen, denn was er beschrieb, erlebe ich gerade in vielen Beratungen von Beziehungen. Stress, Unsicherheit und Überforderung schleichen sich in den Alltag ein und stellen Partnerschaften und Arbeitsbeziehungen auf eine harte Probe. Aber warum passiert das eigentlich – und was können wir dagegen tun?

Struktur im Alltag und in der Beziehung

Wenn im Außen vieles unsicher erscheint, brauchen wir umso mehr Stabilität im Inneren. Unser Leben ist geprägt von Routinen und Strukturen, die uns Sicherheit geben. In Zeiten von Krisen werden genau diese Grundpfeiler erschüttert. Wir fühlen uns orientierungslos und überfordert, weil wir das Gefühl haben, dass zu viel im Umbruch ist und wir so vieles im Blick haben müssen.

Auch in Beziehungen kann sich diese Unsicherheit zeigen. Unterschiedliche Bindungsstile treten besonders stark hervor: Der/die eine zieht sich zurück, der/die andere klammert sich noch fester an den/die Partner*in. Eine Dynamik, die schnell in eine Abwärtsspirale führt. Der Rückzug des einen fühlt sich für den anderen wie Ablehnung an, das verstärkte Bedürfnis nach Nähe kann als einengend empfunden werden. Die Eskalation ist vorprogrammiert.

Was passiert hier eigentlich? Warum reagieren wir so?

Psychologische Spiele und unbewusste Muster erkennen

In Krisenzeiten aktivieren wir oft Verhaltensmuster aus früheren Beziehungserfahrungen, die wir aus unserer Kindheit mitbringen. Im Zusammenleben mit unseren Bezugspersonen haben wir Landkarten entwickelt, wie Beziehungen zu gestalten sind. Und auf diese Muster greifen wir dann unbewusst zurück.

Ein typisches Beispiel sind psychologische Spiele – wiederkehrende destruktive Interaktionsmuster, die z.B.  aus dem Bedürfnis nach Anerkennung resultieren. Mein Freund erzählte mir, dass er und seine Partnerin immer wieder in das gleiche Muster geraten:

  • Sie zieht sich zurück und gibt ihm das Gefühl, nicht wichtig genug zu sein.
  • Er reagiert darauf mit Vorwürfen und verstärktem Nähe-Bedürfnis.
  • Sie fühlt sich bedrängt und distanziert sich noch mehr.

Dieses Muster ist ein klassisches Beispiel für das Spiel „Komm her – geh weg“, das auf alten Bindungserfahrungen basiert. Der Schlüssel liegt darin, sich dieser Dynamik bewusst zu werden und auszusteigen, bevor das Spiel eskaliert.

Die Bedeutung von Strokes – Anerkennung im Alltag

Eine wichtige Ressource in Krisenzeiten sind Strokes, ein Konzept der Transaktionsanalyse, also Formen von Anerkennung und emotionaler Zuwendung. Mein Freund erkannte, dass seine Partnerin und er sich in den letzten Monaten vor allem negative Strokes gegeben hatten – Kritik, Streit, Frustration. Positive Strokes, wie ein ehrliches „Ich bin froh, dass du da bist“, waren selten geworden.

Eine einfache, aber effektive Übung: Jeden Tag fünf positive Strokes geben – das kann ein Danke, ein Kompliment, eine liebe Geste oder einfach aufmerksames Zuhören sein. Kleine Momente der Anerkennung können helfen, die Beziehung wieder zu stabilisieren.

Wege aus der persönlichen Krise

Wie kommen wir aus dieser Dynamik heraus? Ein erster Schritt besteht darin, sich bewusst zu machen, dass wir gerade emotional agieren – und nicht aus einer reflektierten Haltung heraus. In stressigen Momenten übernimmt das alte „Überlebensprogramm“.

Ein bewährter Weg, um aus diesem Muster auszubrechen, ist der sogenannte Phasenwechsel:

  1. Pause einlegen: Wenn du merkst, dass ein Streit eskaliert, unterbreche das Gespräch bewusst. Atme tief durch, verlasse für einen Moment den Raum oder nimm dir Zeit für dich.
  2. Eigene Emotionen und Bedürfnisse reflektieren: Frage dich selbst: Was fühle ich gerade wirklich? Ist es Angst? Unsicherheit? Hilflosigkeit? Was ist mein Bedürfnis in diesem Moment?
  3. Den Partner einladen, ebenfalls zu reflektieren: Teile deine Gefühle mit, ohne Vorwürfe. Ein einfaches: „Ich merke, dass ich gerade Angst habe, dass wir uns verlieren“ kann Wunder wirken.

Zusätzlich hilft es, sich über unbewusste Glaubenssätze und Skript-Dynamiken bewusst zu werden. Welche Sätze aus der Vergangenheit beeinflussen unsere Reaktion in Konflikten? „Ich bin nicht genug“ oder „Irgendwann wirst du mich verlassen“ sind oft unbewusste Überzeugungen, die das Verhalten steuern.

Fazit: Beziehungen aktiv gestalten

Das Ziel ist nicht, das Problem sofort zu lösen, sondern einander wieder als Verbündete wahrzunehmen. Beziehungen scheitern nicht an Krisen – sie scheitern an der Herausforderung, sich trotz Krisen sicher zu fühlen. Sicherheit beginnt im gegenseitigen Verstehen.

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Tiefe vs. Oberflächlichkeit in der Beratung und im Coaching

Warum in die Tiefe gehen?

Vielleicht hast Du Dich schon einmal gefragt, warum manche Beratungsgespräche oder Coachings so richtig „klick“ machen – während andere eher an der Oberfläche bleiben und Dich wenig weiterbringen. Der Grund dafür liegt oft darin, ob tiefere Themen angesprochen werden oder nicht. Oberflächlichkeit mag sich zunächst leichter anfühlen, aber wirklich weiter kommst Du nur, wenn Du Dich traust, tiefer einzutauchen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Eine tiefgehende Beratung bedeutet nicht nur, die richtigen Fragen zu stellen, sondern auch zuzuhören, ohne sofort eine Schablone oder schnelle Lösung anzubieten. So entsteht Raum, in dem Du Deine tatsächlichen Bedürfnisse und Ängste entdecken kannst.

Die Falle der Oberflächlichkeit

Oberflächlichkeit fühlt sich zu Beginn oftmals sicherer an. Du bekommst eine schnelle Antwort, der Coach oder Berater wirkt kompetent, und Du hast das Gefühl, die Sache ist „abgehakt“. Doch oft zeigt sich im Nachhinein, dass das Grundproblem nicht wirklich gelöst wurde. Dann stehst Du wieder am selben Punkt – nur mit dem Gefühl, dass etwas nicht stimmt, und Du vielleicht „versagt“ hast.

Falls Du schon einmal so eine Situation erlebt hast, bist Du nicht allein. Ich selbst erinnere mich an ein Coaching, das ich vor Jahren besucht habe: Damals wollte ich schnell eine einfache Schritt-für-Schritt-Lösung, um meine beruflichen Ziele zu erreichen. Obwohl ich die Tipps befolgt habe, spürte ich danach eine gewisse Leere. Erst in der Auseinandersetzung mit meinen Ängsten – und dem Mut, ehrlich über meine Zweifel zu sprechen – konnte ich tatsächlich weitergehen.

Die Kunst des tiefergehenden Coachings

Tiefe Beratung oder Coaching heißt nicht, dass Du in endlosen Sitzungen ständig mit Deinen Gefühlen konfrontiert wirst. Vielmehr geht es darum, Dir Raum zu geben, Deine echten Themen zu identifizieren. Ein guter Coach oder Berater stellt offene Fragen, beobachtet Deine Körpersprache und schafft es, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu kreieren.

Dabei spielt Zeit eine wichtige Rolle: Um tiefergehende Prozesse anzustoßen, braucht es manchmal das achtsame Aushalten von Stille. Viele Menschen empfinden Schweigen als unangenehm, doch in diesen Momenten bist Du eingeladen, Dich selbst zu spüren. Genau dort, im Raum zwischen den gesprochenen Worten, liegen oft neue Erkenntnisse.

Sich verletzlich zeigen – Dein Schlüssel zum Erfolg

Wir alle haben unsere Schutzmechanismen. Es ist menschlich, nicht gleich offen über persönliche Unsicherheiten oder Ängste zu sprechen. Doch echte Veränderung setzt in dem Moment ein, wenn Du Dich traust, Dich verletzlich zu zeigen.

Ich erinnere mich daran, wie ich selbst einmal zögerte, vor einem Seminarteilnehmerkreis über meine Unsicherheiten beim Präsentieren zu sprechen. Als ich mich dann doch öffnete, passierte etwas Erstaunliches: Die Gruppe reagierte mit Mitgefühl und Verständnis. Plötzlich wurde aus meinem „Problem“ eine gemeinsame Lernchance. So etwas erlebst Du nur, wenn Du Dich ganz zeigst und aufhörst, Dich hinter einer Fassade zu verstecken.

Praxis-Tipps für mehr Tiefe in der Beratung

  1. Offenheit und Vertrauen
    Erlaube Dir selbst, ehrlich zu sein. Manchmal ist es nur ein Satz wie: „Ich fühle mich gerade unwohl, darüber zu sprechen.“ Allein dieser Satz kann schon Eis brechen und mehr Tiefe ins Gespräch bringen.
  2. Aktives Zuhören
    Achte darauf, dass Dein Gegenüber Dich wirklich hört. Eine tiefe Beratung lebt davon, dass beide Seiten sich wirklich füreinander interessieren. Wenn Du das Gefühl hast, Dein Coach hört nicht aufmerksam zu, sprich es an.
  3. Spür in Dich hinein
    Wie fühlst Du Dich körperlich, wenn bestimmte Themen angesprochen werden? Manchmal kündigt ein Knoten im Bauch an, dass es hier gerade um etwas Wichtiges geht, das mehr Aufmerksamkeit verdient.
  4. Reflexion zwischen den Sitzungen
    Schreib Dir ruhig Notizen und Fragen auf, die nach einem Gespräch auftauchen. Oft geht die eigentliche Arbeit erst nach dem Coaching los, wenn Du mit Deinen Gedanken allein bist.

Fazit: Der Mut, in die Tiefe zu gehen, lohnt sich

Es braucht etwas Mut, Dich wirklich zu öffnen und Dich auf tiefgreifende Prozesse einzulassen. Doch wenn Du bereit bist, an die Wurzeln Deiner Herausforderungen zu gehen, bekommst Du nicht nur schnelle „Tipps“, sondern eine nachhaltige Veränderung. Vielleicht fällt es Dir schwer, Dich einem Coach oder Berater so anzuvertrauen – doch genau dort liegen oft die Antworten, die Dich wirklich weiterbringen.

Das oberflächliche Abhaken von Problemen mag kurzfristig Erleichterung bringen, doch für eine wirkliche, dauerhafte Entwicklung führt kein Weg an einer tieferen Auseinandersetzung vorbei. Du hast die Wahl: Willst Du an der Oberfläche bleiben oder endlich in die Tiefe eintauchen?

Ich lade Dich ein, Dich für mehr Tiefe zu entscheiden. Denn gerade dort, wo es ein bisschen wehtut und Unsicherheit besteht, wartet Dein eigentliches Wachstum. Und glaube mir: Du wirst Dich selbst besser kennenlernen, wenn Du Dich wirklich darauf einlässt.

Den aktuellen Podcast von Thomas und mir findest Du HIER.

Herzliche Grüße und eine gute Zeit.

Thomas

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Mut – Eine Erkundung von Definitionen, Psychologie und Auswirkungen

Mut ist ein Begriff, der oft mit heldenhaften Taten und herausragenden Persönlichkeiten in Verbindung gebracht wird. Aber Mut ist viel mehr als nur ein flüchtiger Moment des Heldentums. In diesem Blogbeitrag wollen wir den Begriff „Mut“ näher beleuchten, ihn definieren, seine psychologischen Dimensionen erkunden und herausfinden, wie er unser Umfeld beeinflusst. Zudem werden wir uns damit beschäftigen, ob und wie man Mut lernen kann und welche Konzepte der Transaktionsanalyse uns dabei unterstützen können.

Was ist Mut?

Definition

Mut ist ein vielschichtiger Begriff, der sich auf die Bereitschaft bezieht, sich trotz Angst, Gefahr oder Ungewissheit einer schwierigen oder bedrohlichen Situation zu stellen. Er ist nicht nur eine Reaktion auf unmittelbare Bedrohungen, sondern kann auch bedeuten, dass man seine Überzeugungen vertritt, obwohl dies Nachteile oder Ablehnung nach sich ziehen könnte.

Mut wird oft in zwei Hauptkategorien unterteilt: physischer Mut, der sich auf das körperliche Handeln in gefährlichen Situationen bezieht, und moralischer Mut, der das Eintreten für ethische oder moralische Prinzipien trotz Widerstand oder sozialer Sanktionen umfasst.

Mut: Gefühl, Emotion oder Charaktereigenschaft?

Es stellt sich die Frage, ob Mut als ein Gefühl, eine Emotion oder eine Charaktereigenschaft betrachtet werden sollte. Die Unterscheidung ist wichtig, da sie uns hilft, Mut in unserem eigenen Leben zu erkennen und zu kultivieren.

  • Gefühl: Gefühle sind kurzfristige, oft durch eine bestimmte Situation ausgelöste Zustände. Mut kann in diesem Sinne als das Gefühl beschrieben werden, das uns dazu bringt, in einer konkreten Situation eine mutige Handlung zu vollziehen.
  • Emotion: Emotionen sind tiefere, länger andauernde psychische Zustände, die unsere Wahrnehmung und unser Handeln nachhaltig beeinflussen können. In dieser Hinsicht könnte Mut als eine Emotion betrachtet werden, die uns befähigt, auch in längeren, anhaltenden Situationen stark zu bleiben.
  • Charaktereigenschaft: Viele Psychologen und Philosophen betrachten Mut als eine Charaktereigenschaft – eine stabile und konsistente Neigung, mutig zu handeln. Als solche ist Mut ein Teil unserer Persönlichkeit, der über verschiedene Situationen hinweg präsent sein kann.

Was sagt die Psychologie über Mut?

In der Psychologie wird Mut oft als eine Kombination von emotionalen, kognitiven und verhaltensbezogenen Faktoren gesehen. Er umfasst sowohl die Wahrnehmung der Gefahr als auch die Entscheidung, trotz dieser Gefahr zu handeln.

Psychologische Konzepte des Muts

Eine bekannte psychologische Theorie, die sich mit Mut beschäftigt, ist die „Courage Model“ von Christopher Rate. Laut Rate setzt sich Mut aus drei wesentlichen Komponenten zusammen:

  1. Freiwillige Handlung: Eine mutige Handlung ist immer freiwillig und basiert auf einer bewussten Entscheidung.
  2. Gegenwärtige Bedrohung: Es gibt eine wahrgenommene Bedrohung oder Gefahr, die überwunden werden muss.
  3. Erwünschtes Ziel: Die Handlung wird durchgeführt, um ein als positiv oder wünschenswert angesehenes Ziel zu erreichen.

Mut ist also mehr als nur ein Impuls oder eine Reaktion – er ist eine bewusste Entscheidung, die auf einer Abwägung der Risiken und Ziele basiert.

Mut in der positiven Psychologie

Die positive Psychologie, ein Zweig der Psychologie, der sich auf das Erreichen von Wohlbefinden und Erfüllung konzentriert, betrachtet Mut als eine der Schlüsselstärken des Charakters. Er wird als eine Tugend angesehen, die es uns ermöglicht, Herausforderungen zu überwinden und unsere Lebensziele trotz Widrigkeiten zu verfolgen.

Studien haben gezeigt, dass mutige Menschen tendenziell ein höheres Selbstwertgefühl und eine größere Lebenszufriedenheit haben. Mut kann uns auch dabei helfen, Resilienz zu entwickeln, was uns wiederum befähigt, besser mit Stress und Rückschlägen umzugehen.

Die Auswirkungen von Mut auf unser Umfeld

Mut hat nicht nur persönliche, sondern auch soziale Auswirkungen. Wenn wir mutig sind, beeinflusst dies die Menschen um uns herum auf vielfältige Weise.

Positive Auswirkungen

  • Vorbildfunktion: Mutige Menschen können als Vorbilder für andere dienen. Wenn jemand sieht, dass wir trotz Widrigkeiten mutig handeln, kann dies andere ermutigen, ebenfalls mutig zu sein.
  • Stärkung des Vertrauens: Mutiges Handeln kann das Vertrauen in Beziehungen stärken. Wenn andere sehen, dass wir bereit sind, Risiken für das Wohl der Gruppe oder unserer Mitmenschen einzugehen, fördert dies das Vertrauen in unsere Integrität und Verlässlichkeit.
  • Förderung von Veränderung: Mutige Entscheidungen können Veränderungen in unserem Umfeld initiieren oder unterstützen, die ohne diesen Mut vielleicht nicht möglich wären. Dies kann von der Einführung neuer Ideen bis hin zur Bekämpfung von Ungerechtigkeiten reichen.

Negative Auswirkungen

  • Konflikte: Mutiges Handeln kann zu Konflikten führen, insbesondere wenn unsere Entscheidungen nicht mit den Erwartungen oder Überzeugungen anderer übereinstimmen. Dies kann Beziehungen belasten und zu Spannungen führen.
  • Risiko des Scheiterns: Mut beinhaltet oft das Risiko des Scheiterns. Wenn mutige Entscheidungen zu negativen Konsequenzen führen, kann dies nicht nur uns selbst, sondern auch unser Umfeld beeinflussen.
  • Isolation: In einigen Fällen kann Mut auch zu sozialer Isolation führen, wenn unser mutiges Handeln von anderen nicht verstanden oder akzeptiert wird.

Kann man Mut lernen?

Die gute Nachricht ist, dass Mut nicht nur eine angeborene Eigenschaft ist, sondern auch entwickelt und gestärkt werden kann. Es gibt mehrere Ansätze, die uns dabei helfen können, mutiger zu werden.

Psychologisches Training und Übung

Eine der effektivsten Methoden, um Mut zu entwickeln, ist durch Training und Übung. Dies kann durch die bewusste Auseinandersetzung mit Ängsten und das schrittweise Überwinden von Herausforderungen geschehen.

  • Konfrontationstherapie: Eine Methode, die in der Verhaltenstherapie verwendet wird, ist die systematische Desensibilisierung. Durch die allmähliche und kontrollierte Konfrontation mit angstauslösenden Situationen kann man lernen, mutiger zu werden.
  • Selbstreflexion und Mindset: Die Arbeit an der eigenen mentalen Einstellung kann ebenfalls hilfreich sein. Das Erkennen und Überwinden von negativen Denkmustern und das Entwickeln eines positiven Mindsets können Mut fördern.

Transaktionsanalyse und Mut

Die Transaktionsanalyse (TA) ist eine psychoanalytische Methode, die hilft, das Verhalten und die Kommunikation zwischen Menschen zu verstehen. Sie kann uns auch dabei unterstützen, mutiger zu werden.

Das Konzept der „Ich-Zustände“

Eines der grundlegenden Konzepte der TA ist das Modell der „Ich-Zustände“, das zwischen dem Eltern-Ich, dem Erwachsenen-Ich und dem Kind-Ich unterscheidet. Mutiges Handeln können wir z. B. mit dem Erwachsenen-Ich in Verbindung bringen, das im Hier und Jetzt rational und selbstbewusst agiert.

  • Stärkung des Erwachsenen-Ich: Durch die Stärkung des Erwachsenen-Ich können wir lernen, mutiger zu handeln. Dies geschieht durch die bewusste Reflexion unserer Entscheidungen und die Entwicklung einer klaren, rationalen Sichtweise auf Herausforderungen.

Skripte und Glaubenssätze

Ein weiterer wichtiger Aspekt der TA ist die Arbeit mit Lebensskripten und Glaubenssätzen, die unser Verhalten beeinflussen. Oft sind wir aufgrund negativer Glaubenssätze gehemmt, mutig zu sein.

  • Skriptanalyse: Die Analyse und Umgestaltung negativer Skripte kann uns helfen, Blockaden zu überwinden und mutiger zu werden. Dies kann durch das Erkennen und Umstrukturieren von Glaubenssätzen geschehen, die uns daran hindern, Risiken einzugehen.

Fazit

Mut ist eine komplexe und facettenreiche Eigenschaft, die sowohl psychologisch als auch sozial tiefgreifende Auswirkungen hat. Er ist nicht nur eine Frage spontaner Reaktionen, sondern kann als bewusste Entscheidung verstanden werden, die aus einer sorgfältigen Abwägung von Risiken und Zielen resultiert.

Die Entwicklung von Mut ist möglich und kann durch gezielte psychologische Ansätze, Training und die Arbeit mit Konzepten wie der Transaktionsanalyse gefördert werden. Indem wir unseren Mut stärken, können wir nicht nur unser eigenes Leben bereichern, sondern auch positive Veränderungen in unserem Umfeld bewirken.

Mut zu zeigen, bedeutet letztlich, bereit zu sein, für das einzustehen, was wir für richtig und wichtig halten – selbst wenn dies bedeutet, Risiken einzugehen oder auf Widerstände zu stoßen. Und das macht Mut zu einer der wertvollsten Eigenschaften, die wir kultivieren können.

Über uns

Thomas Lorenzen und Thomas Wehrs sind erfahrene Berater und Coaches, die Menschen und Unternehmen dabei unterstützen, den permanenten Wandel selbstbestimmt und nachhaltig zu gestalten. Auf Mediation im Norden finden Sie weitere Informationen zu unseren Angeboten.

Hier geht es zum Podcast.

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Ist „Ich denke, also bin ich“ eine Illusion? Eine philosophische Reise

Hallo und herzlich willkommen auf unserer Reise durch die Tiefen der Philosophie und Psychologie! In unserem neuesten Podcast haben wir, Thomas Lorenzen und Thomas Wehrs, uns mit einer der berühmtesten Aussagen der Philosophiegeschichte auseinandergesetzt: René Descartes‘ „Ich denke, also bin ich“. Doch was, wenn dieses „Ich“, von dem wir glauben, dass es denkt, gar nicht existiert? Kann dieser grundlegende Glaubenssatz uns daran hindern, die wahre Natur unseres Seins zu erkennen?

Das Ich und seine Kritiker

Descartes suchte nach einem unerschütterlichen Fundament des Wissens. Durch methodischen Zweifel kam er zu dem Schluss, dass er an allem zweifeln könne – außer daran, dass er zweifelt. Dieser Zweifel setzt Denken voraus, und Denken erfordert einen Denker. Doch ist dieser Schluss wirklich so zwingend?

Philosophen wie David Hume argumentierten, dass das Selbst nichts weiter als ein Bündel von Wahrnehmungen ist, die ständig im Fluss sind. Wenn wir in uns hineinschauen, finden wir kein konstantes Selbst, sondern nur flüchtige Eindrücke und Empfindungen. Auch östliche Philosophien wie der Buddhismus lehren das Konzept des „Anatta“ – das Nicht-Selbst. Die Vorstellung eines festen, unveränderlichen Selbst ist demnach eine Illusion, die Leid verursacht.

Neurowissenschaftliche Perspektiven

Die Neurowissenschaften unterstützen diese Sichtweise teilweise. Studien zeigen, dass unser Gefühl des Selbst durch komplexe neuronale Netzwerke erzeugt wird. Es gibt keine einzelne Hirnregion, die für das „Ich“ verantwortlich ist. Fälle wie das Capgras-Syndrom, bei dem Betroffene glauben, ihre Angehörigen seien durch Doppelgänger ersetzt worden, verdeutlichen, wie veränderbar unser Selbst- und Weltbild ist. Unser Gehirn konstruiert die Realität, die wir erleben.

Transaktionsanalyse und Glaubenssätze

Als Berater und Coaches nutzen wir die Transaktionsanalyse, um diese Konzepte praktisch anzuwenden. Eric Berne teilte das menschliche Bewusstsein in drei Ich-Zustände auf: Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich und Kind-Ich. Jeder dieser Zustände beeinflusst, wie wir denken, fühlen und handeln.

Der Glaubenssatz „Ich denke, also bin ich“ könnte aus dem Eltern-Ich stammen – eine internalisierte Botschaft, die wir übernommen haben, ohne sie zu hinterfragen. Das Erwachsenen-Ich hat jedoch die Fähigkeit, diesen Glaubenssatz kritisch zu prüfen und zu entscheiden, ob er uns heute noch dient. Das Kind-Ich könnte darunter leiden, wenn wir uns zu sehr auf das Denken konzentrieren und emotionale Aspekte vernachlässigen.

Die Bedeutung von Beziehungen

Die relationale Transaktionsanalyse betont, dass das Selbst nicht isoliert existiert, sondern in Beziehungen zu anderen entsteht. Unser Denken und Sein stehen immer in einem relationalen Kontext. Glaubenssätze werden innerhalb von Beziehungen geformt und können auch dort verändert werden. Indem wir die Illusion eines autonomen Selbst hinterfragen, können wir ein tieferes Verständnis für unsere Verbundenheit mit anderen entwickeln.

Praktische Anwendungen und persönliche Entwicklung

Was bedeutet das alles für uns im Alltag? Indem wir unsere Glaubenssätze hinterfragen, öffnen wir uns für neue Perspektiven und persönliches Wachstum. Meditation und Achtsamkeit können dabei helfen, das konstruierte Selbst zu erkennen und bewusster zu leben. In unserer Arbeit unterstützen wir Menschen dabei, bewusster, kreativer, neugieriger und flexibler zu agieren. So kann ein ausgewogeneres Selbstbild entwickelt und das integrierende Erwachsenen-Ich weiter gestärkt werden.

Schlussgedanken

Die Reise zu uns selbst ist eine der spannendsten, die wir unternehmen können. Indem wir alte Überzeugungen hinterfragen und offen für Veränderungen sind, können wir ein erfüllteres Leben führen und bessere Beziehungen aufbauen.

Wir laden Sie herzlich ein, unseren Podcast zu diesem Thema anzuhören und Ihre eigenen Gedanken und Erfahrungen mit uns zu teilen. Haben Sie Fragen, Anmerkungen oder Themenvorschläge? Schreiben Sie uns gerne!

Über uns

Thomas Lorenzen und Thomas Wehrs sind erfahrene Berater und Coaches, die Menschen und Unternehmen dabei unterstützen, den permanenten Wandel selbstbestimmt und nachhaltig zu gestalten. Auf Mediation im Norden finden Sie weitere Informationen zu unseren Angeboten.

Bleiben Sie neugierig und offen für neue Perspektiven! HIER geht es zur passenden Podcast-Folge